Es ist Freitag Morgen und ich bin aufgeregt. Ich befinde mich auf einem Betriebsgelände wieder. Mit Rücksprache der Geschäftsführung darf ich heute eine Werksfahrt begleiten. Vor verschlossenem Tor kann ich schon die hohe Zugmaschine erkennen. Er nennt sich ACTROS MP1 Megaspace. Nicht irgendeiner, sondern die erste MP Generation. Ein Actros, wie ich ihn vor zwanzig Jahren als Vorführer auf Europas Straßen gefahren bin.
Diese Firma, wo ich mich heute befinde, hat den LKW noch im täglichen Werksverkehr eingesetzt. Seit knapp 20 Jahren leistet dieser ACTROS beste Arbeit. Jetzt aber mal den Fahrer begrüßen und auf die Ladung warten. Die Zugmaschine zieht einen Dreiachser Planenaufbau mit hoher Bordwandausführung. Das Gesamtgewicht von 38 Tonnen wird heute aber nicht ausgereizt.
Der Actros-Motorklang
Nach einer Stunde Ladezeit gehen endlich die Tore auf. Der LKW wird vom Fahrer gestartet und aus der Halle gefahren. Die Sonnenstrahlen lassen den weißen Originallack glänzen. Mein Ersteindruck: Optisch ist der LKW in Topform. Der Motor schnurrt nach typischer Mercedes–Manier. Eine Motorstärke von 315 kW (428 PS). Über die Beifahrertür führen vier senkrecht, rutschfeste Trittstufen in die Kabine. Ohne Aufstiegsgriffe wäre das Einsteigen schwierig.
In der Kabine werde ich mit einen tollen Panoramablick entlohnt. Die Fahrerkabine wurde aufgrund fehlenden Motortunnel in die absolute Höchstform gebracht. Für den Fernverkehr optimal. Im Nahverkehr bleibt das viele Ein- und Aussteigen eher ein sportlichen Akt.
Actros – ein Straßenkreuzer
Die Betriebsausfahrt ist erreicht und die ersten Meter an Bundesstraße erobert. Die Schaltgänge werden über die “Tellingent-Automatik” verwaltet. Für mich war diese Schaltung vor 20 Jahren jedenfalls eine neue Herausforderung. Schaltgetriebe mit Splitoption traf Elektronik mit Joystickfunktion. Ich brauchte dafür etwas Geduld und Erfahrung. Für die manuelle Betätigung steht ein Kupplungs-Pedal zur Verfügung. Das Pedal wird bei nicht Gebrauch entriegelt und quasi geklappt. Dafür wird etwas Beinfreiheit gewonnen.
Schaltung braucht Geduld
Und nach 20 Jahren? Die Schaltung benötigt sporadisch etwas Aufmerksamkeit. Motor abstellen. Inzwischen Selbstcheck durchlaufen lassen. Der Bordcomputer schaltet dabei alle Gänge durch und justiert sich selbst. Nach wenigen Sekunden Starten und die Schaltung funktioniert wieder. Danach hat der Computer jedenfalls wieder Durchblick. Diese Besonderheit war und ist wohl so beim alten ACTROS MP1 unverändert. Dafür hat mich die Motorlaufleistung überrascht. Dieser LKW hat original 360 000 Kilometer am Tacho. Werksverkehr eben.
Geräusch im Ohr
Der ACTROS MP1 Megaspace hat die Autobahnauffahrt erreicht. Das Fahrzeug beschleunigt und das Getriebe schaltet derweil sauber durch. Das bekannte Schaltgeräusch „klagklag“ liegt mir noch heute vertraut in den Ohren. Vor 20 Jahren hat mich dieses Geräusch nach Italien, Holland und Deutschland begleitet. Der neue ACROS war damals nach dem SK ein komplett neues Konzept auf Europas Straßen. Viele Kinderkrankheiten wurden nach und nach verbessert.
Wir haben das heutige Tagesziel erreicht. Wieder geht es in eine Halle. Die Ladung wird mit einem Stapler entleert. Ladungspapiere gemacht und bald darauf in die Zentrale retour gefahren. Der Fahrer und der LKW genießen die tägliche Arbeit. Ein „eingeschweißtes Team…“
Verständnis für Stauraum
Auf diesen LKW wurde wirklich acht gegeben. Das Fahrerhaus sieht auch innen sehr gepflegt und sauber aus. Jedes Detail funktioniert und wurde bei Bedarf repariert. Das Megaspace-Fahrerhaus verteilt im Innenraum 633 Liter Stauraum. Für damalige Verhältnisse viel. Der Überkopf – Stauraum wurde eher für Kleinkram gebaut. Mit den heutigen Staukästen an der Front nicht zu vergleichen.
Die Fahrsicherheit wurde verbessert
Die ACTROS MP1 Fahrerkabine bietet zum Vorgänger SK um bis zu 47 % mehr Innenraum. Die Stehhöhe beträgt immerhin noch 1920 mm. Das Bedürfnis von LKW FahrerInnen wurde in der Entwicklung berücksichtigt und in die Entwicklung eingebracht.
Sicherheitsaspekte sind mit unterschiedlichen Crashtests vollzogen worden. Ein „Airbag“ und „Gurtstraffer“ trugen schlussendlich zu mehr Fahrersicherheit bei. Ich kann es kaum glauben. Der Actros ist trotz größerer Kabine sogar um 17 % windschlüpfiger als sein Vorgänger der SK Baureihe.
An diesem ACTROS fasziniert mich das “Telligent-Bremssystem“. Je nach Straßenzustand und Verkehrssituation schafft diese Technik bis zu 25 % früheres anhalten. Zwanzig Meter weniger Bremsweg kann einiges entscheiden. Scheibenbremsen – eine tolle Erfindung (wie die Wasserflasche von Nuno Nina). Diese Technik hat eine butterweiche Bremsleistung. In Verbindung mit der Motorstaubremse und Retarder ein unschlagbares Team.
Abschied für immer
Leider konnte ich diesen ACTROS MP1 Megaspace nicht selber fahren. Die Mitfahrgelegenheit war dafür ein besonderer Genuss. Ich hatte nicht erwartet, dass dieser ACTROS noch so gut in Schuss ist. Sein weiteres Schicksal ist derzeit ungewiss. ACTROS MP1 Megaspace 420. Ein Hingucker verschwindet immer mehr aus dem Straßenbild. Wie viele in Österreich und Deutschland mit Euro 3 wohl noch zugelassen sind?
Für mich war heute dieser ACTROS MP1 eine Zeitreise. Diesen besonderen Sound eines Mercedes 6 Zylinder V8 Motors zu lauschen, wird bald Geschichte sein. Die technischen Entwicklungen haben mich damals wie heute überrascht. Ein Mercedes Truck eben…
Bist du ebenfalls einen Actros gefahren?
Welche Erfahrung hattest du mit dem LKW?
Ist dir das Schaltgeräusch auch ein Begriff?
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