Auf was habe ich mich diese Woche eingelassen? Der Reiz zu fahren ist für mich nicht erklärbar. Erst recht einen LKW mit Hänger zu lenken. Das Straßennetz Europas kennen zu lernen und mit einem 40 Tonner befahren, habe ich sicher nicht von meinen Eltern geerbt. Die Romantik schon eher.
Diese Romantik des einsamen Cowboys ist im Kopf. Ich habe oft gesagt – wenn sich die Chance ergibt, will ich die Herausforderung annehmen. Wieder spüren, wie sich das Leben eines Vollzeittruckers anfühlt.
Bereit für Romantik?
Zu Hause geht mir nichts ab. Kann jederzeit auf die Toilette, mich ausruhen und etwas zum Essen machen. Kann mein Leben selbst bestimmen. Abends muss ich keinen Parkplatz finden. Eine warme Dusche ist selbstverständlich. Ist das Leben als LKW Fahrer wirklich so schlimm – wie alle behaupten?
Die Übergabe der Schlüssel ist für Montag 8 Uhr vereinbart. Ich bin zu früh dran und warte in einem Vorraum. Der erste Kaffee aus dem Automaten in der Hand ist die erste Indiz für Romantik. Nach dem Eintreffen von der Dispo werden die wichtigsten Informationen angewiesen.
Danach geht es zum LKW. Alle gepackten Sachen werden vom PKW in den LKW umgeladen. Bis die letzten Sachen richtig verstaut und die elektronischen Helfer platziert sind, vergeht schon mal eine Stunde. Erinnert mich an die Campingsituation. Da wird alles für unterwegs gebraucht. Mein einziger Gedanke, hoffentlich habe ich nichts vergessen.
Warum erzähle ich dir das Ganze?
Meine geplante 9 Uhr Abfahrt kann ich schon vergessen. Die Abfahrt verzögert sich um eine halbe Stunde. Du denkst, das ist nicht viel? Naja, beim LKW fahren zählt jede Minute an Fahrzeit und Schichtzeit. Das Ergebnis kenne ich erst am Ende des Tages.
Schon am ersten Tag erlebe ich die Arbeitszeit sehr intensiv. Viele Baustellen und erste Staus säumen den Weg. Der erste Stopp beginnt in Arnoldstein. Hier werden erstmals beide Tanks bis zum Rand vollgemacht. Mit AdBlue und rangieren zur Säule vergehen schon mal 30 Minuten. Insider wissen, wie die Zeit beim Tanken vergeht. Jede Säule ist in Europa anders und hat ihre Macken.
Für den vollen Tank gibt es für den Trucker noch gratis Kaffee, ein Wasser und eine Wurstsemmel auf den Weg. Eine der wenigen wertschätzenden Gesten für den Fahrer. Wer will, kann an dieser kleinen Tankstelle gratis Duschen oder auf die Toilette.
Dann passierte Folgendes
Nach der Grenze liegt Italien. Ab da beginnt für mich der Fernverkehr und das Abenteuer. Der Espresso an der Bar, kostenlose Duschen und gratis WC Anlagen auf den italienischen Raststationen inklusive. Vorausgesetzt – ich bekomme einen Parkplatz.
Gegen 16 Uhr kommen im Kopf die ersten Berechnungen und Zweifel auf. An welchen Ort werde ich heute Nacht ankommen? Reicht dafür auch die Fahrzeit aus? Schlussendlich muss ein Stellplatz für 20 Meter Länge gefunden werden. Die Schichtzeit stresst mich jetzt immer mehr. Ich nütze den Telefonjoker und rufe einen meiner Kollegen an.
Für die erste Nacht kann mir ein Kollege in der Not einen Stellplatz in „Caorso“ empfehlen. Mit den letzten Minuten erreiche ich die Abfahrt. Wenn in diesem Moment nichts frei ist, muss ich über die Lenkzeit drüber fahren. Was passiert? Das Wunder ist am ersten Arbeitstag eingetroffen.
Denk mal drüber nach…
Ich hatte das Glück, spätabends einen letzten Stellplatz zu bekommen. Motor abstellen und endlich runterkommen. Wenn man nicht ortskundig ist, braucht es Vertrauen, dass ein Parkplatz zur rechten Zeit folgt. Die Suche ist nicht lustig und für tausende LKW Fahrer mit Stress behaftet. Jetzt brauche ich nach einem langen Tag im LKW Bewegung.
Ich schaffe es vor Sonnenuntergang zu Fuß in die 4000 Seelengemeinde zu gehen. In der Dämmerung kann ich noch letzte Erinnerungsfotos knipsen. In diesem Ort war mal ein Atomkraftwerk geplant. Italien hat sich dagegen entschieden. Auf dem Weg zurück begleiten mich die Zikaden-Geräusche. Auf meinem Weg liegt eine letzte Bar. Das Ambiente passt perfekt. Die Abendhitze und Lust nach Gesellschaft lässt mich einkehren. Ich gönne mir in der Sommerhitze ein kaltes Moretti.
Dabei beobachte ich die Menschen an der Bar. Sie quatschen für mich unverständliche aber interessante Laute. Die Sorgen, Themen und Freuden sind überall gleich. Die Menschen sind nur vom Charakter und Mentalität unterschiedlich. Sprechen nur andere Sprachen. Auf jeden Fall ist heute Tag eins auf dem Weg nach Spanien geschafft. Knappe 725 Kilometer an einem Tag gefahren.
Die traurige Wahrheit
Zum Essen kochen ist es mir heute zu spät. Meine Gesundheit unterstütze ich heute Nacht mit einem Zeolith. Hundemüde leg ich mich in die enge Koje. Es ist zu heiß um zu schlafen. Ist das die Trucker Romantik nach der sich viele sehnen? Scheibe, mir wird gerade bewusst: Ich habe einen Stellplatz für den 40Tonner. Aber kein Klo und nix mit Dusche.
Fazit: Der Job ist als LKW Fahrer herausfordernd. Am Ende des Tages hat man soviel erlebt, was andere nicht einmal in einem Jahr erleben würden. Die Mischung aus engen Zeitplan und etwas Selbstbestimmung, bringt nicht bei jedem Fahrer Romantik hoch.
Der Druck ist enorm und der Stress wird am Tag nicht weniger. Vor dem Start ist man schon zu spät. Dennoch hat dieser Job etwas Besonderes. Momente von Lebensgefühlen, die nur ein LKW Fahrer in Erfahrung bringen kann. Diese Romantik gilt es zu finden. Dafür brennt der Fahrer. Das ist das warum, weshalb täglich der Vorhang aufgezogen wird…
Wie erlebst du deinen Arbeitsalltag im Fernverkehr?
Welchen Tipp kannst du für die Parkplatzsuche geben?
Ist für dich das Fahren noch mit Romantik verknüpft?
Schreibe mir ein Kommentar…!
Beitragsbild: Gesunde-Trucker, Stellplatz in Caorso